Potentiale der Leere - vom Kindl-Hof zum Kindl-Garten

Der Kindl-Garten entsteht aus der Transformation des über Jahrzehnte sukzessiv gewachsenen Hallenkonglomerats der ehemaligen Kindl-Brauerei. Die Hallenstruktur wird im Sinne eines "as-found" offengelegt und schafft ein öffentlich nutzbares Plateau als neuen, andersartigen Freiraum für Neukölln. Das Plateau vermittelt zwischen den bis zu fünf Hallen-Untergeschossen, deren  Perforationen Licht in die Tiefe bringen, und den neuen "schwebenden" Häusern der Grundschule und ergänzende Büronutzungen.

Vom Kindlhof zum Kindlgarten

Ein schwarzer Fleck

Derzeit bildet das Vollgutlager eine räumliche Grenze, die das Potenzial der Topographie - zwischen Himmel (Weitblick) und Höhle (Kindl-Keller) - verschleiert.

Zwischen Himmel und Höhle

Hinter den Wänden verbirgt sich ein weitläufiges Netz an Räumen auf drei Geschoßen.

Labilatoire

Die Trägerstruktur wird enthüllt und zur überdimensionalen Pergola. Die verworfenen Schatten der Stahlträger auf dem Boden bespielen das offene und genutzte Plateau. Hier entsteht das „Labilatoire“, ein Raum für offene Situationen, temporäre Nutzungen und Gärten.

Stahlgarten und Canyon

Gezielte Einschnitte, der Stahlgarten und der Canyon wie auch kleinere Öffnungen zur Neckar- und Rollbergstraße, bringen Licht in die Unterwelt und Durchwegung von unten auf das Plateau.

neue Verbindungen

Durchgehende Kerne führen darüber hinaus auf die Obere Promenade bis zum Schulgarten. Sie erden die neuen Nutzungen auf und über dem Plateau und verbinden sie attraktiv mit dem Stadtraum.

Häuser über dem Plateau

Über dem Plateau liegen vier Häuser und ein Garten. Sie tauchen auf, um Raum für abgeschlossene Nutzungen zu bieten. Jedes der Häuser – das ‚Fensterhaus‘, der ‚Leuchtturm ‘, das "Dreikäsehoch-Haus" und die ‚grüne Wolke‘ – entwickelt einen eigenen Charakter, passend zum programmatischen Inhalt und zugleich vielversprechend für Anderes.

Schwamm-Programm

Raumvermehrung durch das Stundenplan-Orchester: Eine genaue Analyse der Stundenpläne zeigt Möglichkeiten der Mehrfachnutzung und Überlagerung, die zusätzliche Raumpotenziale freispielt. Der Spielraum-Plan wird zum Spielzeit-Plan, der Stundenplan zum Orchester.

die fünf Klimazonen des Labilatoire

A) konditioinierte Kerne
B) konditionierte Räume
C) semi-konditioniert Zonen
D) überdachte Zonen
E) unter freiem Himmel

Stabile und offene Raumstrukturen

Das Vollgutlager transformiert sich in ein quartiersöffentliches Plateau und verbindet das Untere (Höhle) mit dem Oberen (die Häuser und darüber hinaus der Himmel) wie auch die vier Seiten des Blocks miteinander. Das Plateau öffnet sich auf drei Seiten: zum Kindl-Hof nach Westen, zum Rollberghof nach Süden und zur weiten Stadtlandschaft nach Osten. Der Kindl-Hof erweitert sich so auf das Vollgut-Plateau und umgekehrt. Zwei Freiraumschnitte verbinden das Plateau mit dem tieferliegenden Stadtraum: der Stahlgarten nach Norden und der Canyon nach Süden.

Grafik: Atelier Le Balto

Das Plateau

Unter den Trägern – auf dem Plateau – ist viel Raum: zum Experimentieren, Hantieren, Werken, Kennenlernen und Teilen. Der Schulhof bildet einen Ankerpunktbekommt einen besonderen weicheren Boden, seine mäandrierende Grenze, ein Stäbchenzaun, kann beliebig geöffnet oder geschlossen werden. Der Hof bildet das großes offenes Schulfoyer“, das über mehrere Treppenkerne den Zugang zu den verschiedenen Häusern und Ebenen ermöglicht. Die Wege nach oben münden in die Passerelle, die als Rundweg alle Häuser verbindet und sich im Osten zu einem großen Gartentablett erweitert. In der Nähe des Schulhofs ist ein rundes Bassin im Boden eingelassen. Es sammelt das Regenwasser der umgebenden Dächer und der Oberfläche und zeigt die Welt der Wasserpflanzen.

Grafik: Atelier Le Balto

DER CANYON ALS GRÜNE FUGE

Zwei Freiraumschnitte verbinden das Plateau mit dem tieferliegenden Stadtraum: der Stahlgarten nach Norden und der Canyon nach Süden.

Grafik: Atelier Le Balto

Häuser über dem Dach

Das Raumprogramm der Integrativen Waldorf-Schule wurde analysiert und neu geordnet: Es ergeben sich zwei Kategorien von Räumen, die dem Potenzial des Ortes entsprechen. Einerseits braucht die Schule abgeschlossene Räume, die Ruhe und Geborgenheit vermitteln bzw. konzentrierte Arbeit erlauben. Andererseits braucht das Lernen auch offene Räume und Exposituren, die hinauslocken, die wachsen und schrumpfen können, die geteilt werden und die Öffentlichkeit suchen. Über den Trägern – in den auftauchenden Häusern – findet alles Platz, was Ruhe und Rückzug braucht.

Die Fünf Häuser

Das FENSTERHAUS bildet das Entree an der Kindl-Treppe. Hier finden sich Administration, Bibliothek und Bewegungsräume. Das DREIKÄSEHOCH-HAUS bringt die Schulklassen und Teilungsräume auf drei Ebenen mit etagenintegrierten Garderoben unter, die durch Lufträume miteinander verbunden sind. Die GRÜNE WOLKE beherbergt den Hort, die Naturwissenschaften und die Handarbeit. Im Herzen des Kindl-Areals steht der LEUCHTTURM: ein nutzungsoffenes Haus mit 4 Geschoßen, von denen sich das oberste durch seine außergewöhnliche Raumhöhe (6m) auszeichnet. Oben am Ostrand der Vollgutwelt liegt der SCHULGARTEN AUF EINEM TABLETT.

Situationen am Labilatoire

Geschlossene „Kernen“ minimieren die permanente Besetzung und sind Ausgangspunkt der Besiedelung. Sie beinhalten die notwendige technische Infrastruktur. An sie docken transparente und flexible Raumsituationen an, die Raum bieten für von der Schule gezielt zumietbare Nutzungen mit höherem Öffentlichkeitsgrad (Mensa, Musik, Sport) und größerem Expansionsbedarf bzw. Experimentierfreude (Werkstätten, Kreativlabor). Die Schule genießt als „Stammgast“ das atmende Raumangebot des Labilatoires: hier zieht ein neues Lernen ein, das als solches auch in Kontakt mit der Öffentlichkeit treten kann. Das atmende Leben des Labilatoires gibt dem Ort und der Schule gleichermaßen die Freiheit, die beide – Schule und Konglomerat – aus ihrem Anspruch heraus fordern: funktionale Festlegungen werden zugunsten eines orchestrierten, „ressourcengenerierenden“ Raumexperiments aufgehoben – das labilatoire ist eine programmatische Kreislaufwirtschaft.

Situatives Tragwerk für die Häuser

Die Überlagerung von unsichtbarer Bestandsstruktur in den Untergeschoßen, belassenen Bestandsträgern und Umrissen der Häuser darüber ergibt ein jeweils spezifisches und situationsangepasstes Tragwerk. Die neuen Stützen vermitteln wie Stelzen zwischen dem Untergrund und den Häusern, wobei sie teilweise den Trägern ausweichen müssen und so zu tanzen beginnen. Die scheinbar erratische Struktur gibt dem Labilatoire eine neue Leichtigkeit im Gegensatz zur Strenge des Bestands. Die horizontale Aussteifung der Gebäude wird über die Erschließungskerne bzw. Stahlverbände geleistet.

Der Kindlgarten als Labilatoire

Schulhof mit Wasserpflanzenwelt

Himmel über Neukölln

Blick von der Paserelle Richtung Gartentablett



Lage: Berlin 12053 (Neukölln), Deutschland Projektformat: Städtebauliches Werkstattverfahren KINDL KONGLOMERAT Projektstatus: abgeschlossen Grösse: 8.100 m2 BGF: > 11.000 m2 Planungszeitraum: 2021 Auftraggeber: Terra Libra Immobilien GmbH - Stiftung Edith Maryon Partner/innen: Atelier Le Balto Fachplanner/innen: Jung Ingenieure Mitarbeiter/innen: Adrian Judt, Patryk Slusarski, Xabier Montilla Suarez, Pablo Barrionuevo, Marta de las Heras, Laleh Sadeghloo, Alice Mosalova